Das Amtshaus
Das Amtshaus Anfang des 20. JahrhundertsDas Amtshaus Anfang des 20. Jahrhunderts
(Johannisgasse 38 in Bad Blankenburg)

Zu den wenigen Gebäuden Bad Blankenburgs, die noch Reste wesentlich älterer Vorgängerbauten enthalten, gehören das Rathaus (1334), die Nikolaikirche (Turmuntergeschoss 1385), die zweigeschossige Kelleranlage des “Raths Kellers” und Tanzbodens - jetzt Fröbelmuseum, und das Haus Johannisgasse 2 - Ecke Marktplatz (1485). Die hohen Verluste an historischer Bausubstanz sind den wiederholten Stadtbränden geschuldet.

Das Wohnhaus Johannisgasse 38 - Ecke Obere Marktstraße hat den letzten großen Stadtbrand zumindest teilweise überstanden. Das belegen dendrochronologische Untersuchungen (1) aus dem Jahre 1999. Dazu wurden im Erdgeschoss aus dem Rähm (2) und dem Unterzug (3) der großen Stube (jetzt zwei Räume) fünf Bohrkerne entnommen.

Als Wachstumszeitraum der zum Hausbau verwendeten Tannen konnten die Jahre zwischen 1477 und 1526 ermittelt werden. Da keine der Proben eine Waldkante (letzter Jahresring vor der Borke) besaß, konnte das Fälldatum nicht ermittelt werden (4). Nimmt man die im Scheitel des großen Hoftores eingemeißelte Jahreszahl 1564 als Erbauungsjahr an, besitzen Keller und Erdgeschoss ein beachtliches Alter.

Dem aufmerksamen Betrachter der Marktstraßenfassade fallen die unterschiedlichen Erdgeschoss-Ebenen auf. Links liegen die beiden Kellerfenster. Der Raum selbst ist vom geräumigen Treppenhaus aus durch ein im Wechsel von Wulst und Kehle profiliertes rundbogiges Sandsteingewände zugänglich. Das Kreuzgewölbe des Kellers ruht auf einer Mittelstütze.

Die zwei gekuppelten Fensterpaare über dem Keller belichteten ursprünglich einen großen, repräsentativen Raum. Hier fällt besonders die von einem schiffskehlenprofilierten Unterzug getragene Bohlendecke auf. Das umlaufende Rähm und ein Teil der Deckenbohlen sind ebenfalls verziert. Erschlossen wird der Raum durch ein Sandsteingewände, gleich dem des Kellers.
Johannisgasse 38 - Bildautor: Matthias Pihan, 10.02.2016
Über eine Wandöffnung von 60 cm Breite und 150 cm Höhe, ebenfalls mit Sandsteingewände, die 90 cm über Fußbodenniveau liegt, führt in der westlichen Außenwand eine schmale Stiege in das Obergeschoss (jetzt durch Schließung des Obergeschoss-Fußbodens funktionslos).

Zumindest die linke der beiden rundbogigen Öffnungen in der Südfassade diente ursprünglich der Erschließung des Hauses. Das profilierte Gewändenischenportal aus Sandstein erhielt später eine Ziegelausmauerung bis in Brüstungshöhe und dient seitdem als Fenster. Hinter den beiden Öffnungen erschloss sich vormals über die gesamte Gebäudetiefe eine kreuzgewölbte Halle, gestützt von zwei Mittelsäulen. Diese erfuhr später eine mehrfache Unterteilung.

Der Baumeister Ernst Scheller errichtete 1901 eine neue Treppenanlage. 1929 erfolgte der Ausbau des krüppelgewalmten Dachgeschosses, verbunden mit dem Anbau einer hofseitigen Treppe vom Obergeschoss zur Mansarde. Zwecks statischer Sicherung der Ostfassade errichtete der VEB Gebäudewirtschaft Bad Blankenburg um 1986 die vier großen Mauervorlagen. Im Jahre 2001 erwarb ein beherzter Handwerker das Anwesen, um im Haupt- und in den Nebengebäuden Wohnungen aus- bzw. neu einzubauen (ehem. Tischlerwerkstatt).

Sicher ist es der beschriebenen historischen Bausubstanz dieses bedeutenden Hauses geschuldet, dass das Anwesen im Volksmund als Kloster bezeichnet wird.

Anmerkungen:

(1) Die Analyse der Jahresringe von Bäumen ermöglicht eine sehr genaue Altersbestimmung von Holz

(2) Waagerechtes Holz einer Fachwerkwand, das über den Ständern liegt, entspr. der unter dieser Schwelle

(3) Ein Entlastungsträger, der unter einer Balkenlage, einer Decke oder unter einer Auflast (Mauerwerk) liegt

(4) Dipl.-Ing. (FH) Horny, HBH - Historische Bauforschung Horny, Bauhistorische Untersuchung Bad Blankenburg Johannisgasse 38, 7/99

Quellen:
Text: Dieter Krause; Greifenstein-Bote Nr. 1/2004
(gekürzte Fassung, voller Wortlauf erschienen in den Rudolstädter Heimatheften)
URL dieser Seite: www.bad-blankenburg.de?eid=120